Nun war es also endlich so weit, es sollte hinab gehen in den Grand Canyon, eine Unternehmung, auf die wir uns schon lange gefreut und die wir gut vorbereitet hatten. Unsere Pläne hatten wir kurzfristig etwas abgespeckt, so dass wir anstelle des South Kaibab Trails "nur" den Bright Angel Trail in der Planung hatten. Dies zum einen deshalb, weil unsere Unterkunft direkt am Start des Bright Angels Trails gelegen war; zum anderen aber auch deshalb, weil ich mich etwas unsicher fühlte, ob ich dem South Kaibab Trail fitnessmäßig gewachsen sein würde. Schließlich wusste ich aus diversen Berichten, dass der South Kaibab Trail steiler, sonniger und trockener sein sollte als sein "kleiner Bruder". Und für meine ersten Gehversuche in dieses Wunderwerk der Natur entschieden wir uns dann für die etwas "leichtere" Variante und nahmen in Kauf, dass dieser Gedankengang natürlich nicht allein unserer war, sondern dass wir auf dem Bright Angel Trail vielen Menschen begegnen würden.
Unsere Rucksäcke waren mit jeweils fünf Litern Wasser rechtschaffen schwer, als wir kurz nach 6 Uhr unseren Hike begannen. Es war noch düster, aber von Minute zu Minute wurde es heller und unsere Schritte bergab wurden von einem stimmungsvollen rosa Wolkenband begleitet. Über steile ausgetretene Stufen ging es bergab und bereits jetzt wurde uns klar, dass es besser war, nicht schon jetzt an den Rückweg zu denken.
Wir kamen flott voran, bereits um 6.50 Uhr hatten wir das 1-Mile-Resthouse erreicht, und bereits um 7.40 Uhr passierten wir das 3-Miles-Resthouse. Hier trafen wir dann auch erstmalig auf andere Hiker, die den Rückweg von Indians Garden aus zum South Rim angetreten hatten. Den riesigen Rucksäcken nach zu urteilen hatten sie wohl irgendwo da unten übernachtet und sahen teilweise schon recht müde aus. Auch wir machten hier eine kurze Pause und erreichten schließlich um 8.15 Uhr unsere erste Zwischenstation, Indians Garden, eine kleine grüne Oase mit wunderschönen Kakteen, schattigen Rastplätzen und einer erfrischenden Wasserstelle. Es fühlte sich wunderbar an, nach dem Abstieg entlang der mächtigen Felswände in diesen kühlen lieblichen Ort einzutauchen. Und an diesem Ort hieß es sich zu entschieden: entweder weiter abzusteigen zum Colorado River, oder die kürzere Variante zu wählen zum Plateau Point, von dem aus man einen sehnsuchtsvollen Blick zu dem nochmal 400 Meter darunter fließenden Fluss werfen konnte.
Wie eingangs erwähnt hatten wir uns schon zu Beginn des Tages für die abgespeckte Version dieses Trails entschieden, so dass wir unseren Hike in Richtung Plateau Point fortsetzten. Zwischenzeitlich war es auch schon sakrisch heiß geworden, die Sonne brannte erbarmungslos vom Himmel, es gab auch nicht den kleinsten Flecken Schatten zum unterstellen. Aber zumindest gab es keine Auf- und Abstiege mehr zu bewältigen, sondern der Weg führte einigermaßen eben durch eine traumhafte Landschaft. Unsere Anstrengungen wurden mehr als belohnt, als wir gegen 9.15 Uhr den Plateau Point erreichten.
Meine Güte war das schön!!! Wir waren dem Colorado River doch schon recht nahe gekommen und genossen den Anblick, wie er sich in eleganten Windungen durch die steil noch oben ragenden Felswände schlängelte. Die Glücksgefühle, die wir hatten, kann man mit Worten kaum beschreiben. Sie wären wahrscheinlich nur noch dadurch zu übertreffen, dass man auch die letzten 400 Meter absteigt, um dann direkt am Fluß seine heiß gelaufenen Füßlein zu kühlen.
Und noch eines wurde uns klar: um die Naturgewalt, Schönheit und Unsterblichkeit dieses Naturereignisses wenigstens einigermaßen begreifen zu können muss man die Mühe auf sich nehmen und hinab steigen. Mit jedem Schweißtropfen, den man vergießt und mit jedem Schritt, den man voran kommt, wird einem vor Augen geführt, innerhalb welchen Naturwunders man sich hier bewegt. So atemberaufend schön, wie es nur die Natur selbst schaffen kann. Eine wunderbare Erfahrung, die jegliche Anstrengung lohnt.
wischenzeitlich war es mächtig heiß geworden, und nach etwa 30 Minuten machten wir uns wieder auf den Rückweg zu Indians Garden, wo wir nochmal den kühlenden Schatten für eine Rast nutzten. Dort war zwischenzeitlich auch schon eine Muli-Gruppe angekommen, die ihre Tiere tränkte und ihnen einen Pause gönnte. Überhaupt hatten sich zwischenzeitlich schon eine ganze Menge Hiker eingefunden, labten sich an frischem kühlenWasser, füllten Ihre Trinkflaschen und genossen wie wir diesen wunderschönen Ort. Um 10.45 Uhr starteten wir dann durch und machten uns auf den Rückweg, der uns über eine Strecke von 4,5 Meilen steil nach oben zurück zum South Rim führen sollte.
Und wider Erwarten kamen wir auch beim Aufstieg recht zügig voran. Bereits nach 1 Stunde erreichten wir das 3-Miles-Resthouse. Der Weg lag teilweise im Schatten, so dass wir nicht so sehr wie befürchtet unter der Hitze zu leiden hatten. Und belohnt wurden wir immer wieder durch die wunderbaren Ausblicke hinunter in den Canyon und durch sagenhafte Fernblicke. Um 13 Uhr erreichten wir dann das zweite Resthouse, wo mich Ray, der wie ein Gebirgsgemse leichtfüßig den Berg hinauf kletterte, schon erwartete. Ich selbst war zwar langsamer, aber es ging mir gut, alles lief bestens, und ich war zuversichtlich, dass wir die letzte Meile auch noch packen würden.
Diese letzte Meile hatte es dann aber doch in sich. Es zeigte sich nämlich, dass ich zwar bestens in Sache Hitze und Wasserversorgung vorbereitet war, doch auf meine körpereigene Energieversorgung hatte ich dann doch zu wenig geachtet. Meine Energiespeicher waren offenbar stark abgesunken, und auch Traubenzucker konnte dem nicht so wirklich entgegenwirken. So hatte mich auf den letzten 500 Metern der "Flattermann" mächtig im Griff und ich musste mich sehr anstrengen, um endlich an der Bright Angel Lodge anzukommen. Es war gegen 14 Uhr als ich das Rim erreichte, wo Ray sich schon gewundert hatte, wo ich so lange abgeblieben war.
Jetzt freuten wir uns auf Ruhe, Entspannung und ein deftiges Essen mit einem kühlen Bier, welches wir im Arizona Room der Bright Angel Lodge zu uns nahmen. Ein kurzer Spaziergang am Rim entlang bei stimmungsvollen Ausblicken in den Canyon im Licht der untergehenden Sonne beschloss diesen denkwürdigen wunderschönen Tag.
Fazit: Es war ein sehr schöner anspruchsvoller Hike mit faszinierenden Ausblicken, doch im Gesamtblick betrachtet bestätigte sich das, was wir in diversen Berichten gelesen hatten und Ray bereits vorausgesagt hatte. Der Bright Angel Trail wird einfach von zu vielen Menschen besucht, es ist ein ständiges Kommen und Gehen, ein richtiger "Grüß-Gott-Weg", der einen ein doch davon ablenkt, sich in die majestätische Stille des Canyons hineinzufühlen. Weshalb für uns klar war dass wir wiederkommen würden, um beim nächsten Mal wirklich den South Kaibab Trail zu anzupacken. Ich selbst weiß jetzt besser einzuschätzen, was mich erwartet, und ich bin sicher, dass ich es schaffen kann.
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