Nach einer kalten und höchst unbequemen Nacht zu Füßen der White Pocket waren wir früh um 5 Uhr einfach nur froh, dass die Nacht vorüber war. Reichlich gerädert krochen wir aus unserem Nachtlager und sorgten mit ein bißchen Bewegung dafür, dass sich unsere ausgekühlten Gliedmaßen wieder aufwärmten. So fühlten wir uns wieder bereit für neue Taten. Wie gut wäre jetzt ein heißer Kaffee oder Tee gewesen! Doch da wir auf dieser Reise nicht aufs Campen eingestellt waren gehörten solche oder ähnliche Gedanken erstmal in das Reich der Träume.
Notdürftig frisch gemacht liefen wir nochmals hinüber zur White Pocket, wo wir auf einen stimmungsvollen Sonnenaufgang hofften. Den erlebten wir auch, doch mit den ergreifenden Eindrücken des Sunsets konnte diese Szenerie natürlich nicht mithalten. So verabschiedeten wir uns von dieser traumhaft schönen Location und starteten durch zu dem zweiten Naturereignis an diesem Wochenende. Schließlich hatten wir für diesen Sonntag - zum zweiten Mal!!! - eine Permit für die Coyote Buttes North - Wave - ergattert, und wir freuten uns, diesen Traum von einer Naturlandschaft nochmals erleben zu dürfen.
Bevor es jedoch so weit war konzentrierten wir uns erstmal auf die Rückfahrt bis zum Wirepass Trailhead, wo v.a. Ray nochmal stark beansprucht wurde. Auch wenn man die Strecke schon mal gefahren war, rückwärts sah das Ganze doch wieder ganz anders aus. Doch wie schon gestern war Ray auch heute wieder ein routinierter Offroad-Fahrer, der uns mit Übersicht und dem notwendigen Temperament durch das sandige und steinige Gelände schüttelte. Um 8 Uhr erreichten wir den Ausgangspunkt unseres heutigen Trails, packten unsere Rucksäcke, sorgten für ein kurzes Frühstück, und los ging es. Wave, wir kommen - und schon wieder freuten wir uns.
Schon auf den ersten Schritten spürte ich, dass mir die Spritzigkeit des Vortags ein wenig abhanden gekommen war, und so musste ich mich auf dem kurzen Hike über Slickrock und diverse Sanddünen ganz schön anstrengen. Nach einer kurzen schlaflosen Nacht in dieser Hitze einen solche Wanderung zu machen hat schon ihre eigenenen Qualitäten, und so war ich froh, dass ich wenigstens für genügend Wasser gesorgt hatte. Mit schlafwandlerischer Sicherheit fand Ray den richtigen Weg, der uns durch die traumhafte Landschaft der Coyote Buttes North mit ihren kugelförmigen rot-weißen Felskegeln hindurch führte. Wie schon beim letzten Mal wuchs die Spannung schließlich von Schritt zu Schritt und wir freuten uns auf den überwältigenden Eindruck, den diesmal der erste Blick auf die Wave bei uns hinterlassen würde. Überhaupt waren wir gespannt, mit welchen Emotionen dieser zweite Besuch für uns verbunden sein würde. Zumal wir erst gestern so viele Superlative genießen durften. War das überhaupt noch zu toppen? Waren wir überhaupt noch aufnahmebereit?
Den letzten Anstieg über die große Sanddüne gingen wir zwar größtenteils über die daneben liegenden Felsen, doch das letzte Stück blieb uns das Stapfen durch den tiefen Sand nicht erspart. Das war mühsam, zumal die Sonne erbarmungslos auf uns herab brannte. Doch wir wurden abgelenkt durch die nun zunehmend auftauchenden Wellenbewegungen der Felsen und die daneben liegenden kegelförmigen Felsen, die Assoziationen von Nougattürmchen mit Sahnehäubchen aufkommen ließen.
Und schließlich war es soweit. Zum zweiten Mal an diesem Wochenende waren wir sprachlos ob der Schönheit, der wir uns gegenüber sahen. Dieser wellenförmige Traum aus rot-weißem Fels, diese Dynamik, diese Anmut - ein Wunder der Natur, zweifelsohne. Und während wir in den Felsen umher liefen und immer wieder neue Perspektiven dieser Naturschönheit bewunderten, stellten wir fest, dass auch in diesem Jahr die Wave fest in deutscher Hand war. Wo wir auch hinhörten, überall wurde deutsch gesprochen, so dass man fast vergas, dass man sich in den USA befand. Was egal war, denn dank des Permitsystems waren es ja nicht wirklich viele Leute, die mit uns die Wave bestaunten, so dass wir trotz allem ihre Schönheit und die erhabene Stille dieser herrlichen Landschaft aus vollen Zügen genießen konnten.
Irgendwann hatte uns dann die Müdigkeit wieder eingeholt, die Sonne brannte erbarmungslos vom Himmel, und wir machten uns auf den jetzt zumindest für mich wirklich anstrengenden Rückweg. Körper, Geist und Seele hatten in den vergangenen Stunden so viel Nahrung erhalten, dass ich jetzt wohl einfach auch an Reiz-überflutung litt.
Doch alle Müdigkeit half nichts, jetzt hieß es die Zähne zusammenbeißen. Und die Erfrischung am Hotelpool vor dem geistigen Auge und die Aussicht auf ein komfortables Bett in unserem schönen Hotelzimmer sorgten schließlich dafür, dass wir zwar rechtschaffen müde, aber letztlich glücklich und zufrieden, am Auto ankamen und das letzte Stück gemütlich zurück nach Page fuhren.
Dort angekommen hatten wir jetzt noch den Rest des Nachmittags zum Ausruhen und Regenerieren. Wir wollten gar nicht mehr viel reden, zu frisch waren die wunderbaren Eindrücke dieses Wochenendes noch in unseren Köpfen. Einfach nur entspannt auf der Liege liegen, ein bißchen dösen, ein bißchen träumen - welch ein perfektes Abenteuer wir doch genossen hatten.
Um 18 Uhr kamen dann auch unsere hungrigen Mägen zu ihrem Recht, gönnten wir uns doch im Glen Canyon Steakhouse jetzt ein deftiges Abendessen. Und jetzt hatten wir auch Lust und Laune zum Gedankenaustausch, jetzt, wo sich alles Erlebte ein wenig gesetzt hatte und wir begonnen hatten, alles ein wenig zu verarbeiten. Bei einem Bier bei Ken's Old West ließen wir diesen Abend ausklingen und waren uns einig: dieses Wochenende war etwas ganz Besonderes, das wir so schnell nicht wieder vergessen würden.
Unbeschreiblich, wie sehr wir unser warmes, weiches Bett in dieser Nacht genießen konnten....
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