Nach dem begeisternden Abstieg in den Grand Canyon stand für das bevorstehende Wochenende ein weiteres Highlight dieser Reise an, auf das wir uns im Rahmen unserer Reiseplanungen ganz besonders gefreut hatten. Im letzten Jahr hatten wir die White Pocket noch dem Zeitplan geopfert, diesmal stand sie ganz oben auf unserer "To-Do-Liste" in Page. Doch da wir erst am Nachmittag vor Ort sein wollten hatten wir zunächst ausreichend Zeit, uns um die Vorbereitungen zu kümmern. Wir wollten schließlich über Nacht vor Ort im Gelände bleiben, und da gab es dann doch eine lange Liste an Notwendigkeiten, die in den Rucksäcken bzw. im Auto verstaut sein wollten.
Um der anspruchsvollen Offroad-Strecke gewachsen zu sein hatte Ray schon vor einigen Monaten einen geländetauglichen Jeep bei Rick (Canyon Country Adventures) für uns reserviert, der an diesem Wochenende unser Begleiter sein sollte. Wir erhielten einen silberfarbenen Jeep Wrangler Unlimited, den wir für unsere Zwecke häuslich einrichteten. Im Gespräch mit Rick erfuhren wir, dass auch Isabel Synnatschke bereits bei ihm gebucht hatte und stolz präsentierte er uns phantastische Fotos der White Pocket, die Isabel S. ihm irgendwann geschenkt hatte. Rick wies Ray ein in die Geheimnisse des Jeeps, gab noch diverse Fahrtips und vergas auch nicht darauf hinzuweisen, dass eine Nacht in diesem seinen Jeep vermutlich nicht die Offenbarung sein würde (wie recht er hatte.....!). Uns jedoch war das - jetzt - egal, wir wollten die White Pocket im Sonnenuntergang erleben und freuten uns auf das Abenteuer, das vor uns lag.
Bei aller Vorfreude gelang es uns dann aber doch noch ein wenig über den Tellerrand hinauszublicken und auch an den morgigen Tag zu denken, wo wir die Wave auf dem Programm hatten. Was bedeutete, dass wir für den morgigen Hike die heiß umkämpfte Permit brauchten, die wir beinahe im Hotel liegen gelassen hätten. Aber eben nur beinahe, juchu, das Wochenende war gerettet...
Als wir unsere Vorbereitungen beendet hatten war es 10.30 Uhr, und während wir die US 89 Richtung House Rock Valley Road fuhren entschlossen wir uns den Toadstool Hoodoos einen Besuch abzustatten. Diese lagen ja praktisch auf dem Weg, innerhalb der Rimrocks, am südlichen Rand des Grand-Staircase-Escalante-National-Monuments. In diesem terrassenförmig verlaufenden Terrain befindet sich eine Vielzahl der unterschiedlichsten Hoodoos, von denen der Toadstool Hoodoo der bekannteste ist. Und auch wenn die gesamte Gegend sicherlich eine intensivere Erkundung wert wäre, auch wir beschränkten uns heute auf das Toadstool Valley mit den bekanntesten Vertretern seiner Art.
Um 12.45 Uhr saßen wir dann wieder in unserem Jeep und nahmen Kurs in Richtung White Pocket. Mit großem Geschepper - wir hatten eben nun keinen Achtzylinder mehr unter unserem Hintern - befuhren wir die House Rock Valley Road, die sich im Vergleich zum Vorjahr in einem erheblich rauheren Zustand befand und erreichten um 13.15 Uhr den Wirepass Trailhead. Ab diesem Moment ließen wir auch das GPS wieder zu Wort kommen, in dem Ray vorab schon die Fahrtstrecke gespeichert hatte. Wir passierten die Stateline Arizona/Utah und stellten fest, dass sich die HRVR auf einmal in eine wirklich gut befahrbare Gravelroad verwandelt hatte, so dass wir gut voran kamen. Wir beabsichtigten den Weg über das Coral Valley zu nehmen, der uns bis zum ersten Gatter vom letzten Jahr, als wir die CBS besuchten, noch gut bekannt war. Ray hatte zwischenzeitlich 4WD-low-Antrieb zugeschaltet, denn das Gelände war nun doch schon rechttiefsandig geworden und tiefe Spurrillen zeugten von Fahrzeugen, die schon vor uns hier vor Ort waren.
Doch mit unserem Jeep und mit Ray als Fahrer bewältigten wir die Herausforderungen der Strecke problemlos. Natürlich benötigte Ray hier seine ganze Konzentration, wechselten sich doch tiefer Sand und steinige Passagen im neckischen Wechsel miteinander ab, so dass wir mit heftigem Schwung durch den Sand fuhren um sofort wieder abzubremsen, wenn auf einmal Steinplatten und anderes Gestein vor uns auftauchten. Wir wurden heftig durchgerüttelt und durchgeschüttelt, das ließ sich nicht vermeiden, und Ray schien diese Fahrereiauch tatsächlich noch Spaß zu machen. Für meine Wenigkeit galt das Motto "Festhalten" und "Der Weg ist das Ziel", und wissend, dass wir ein geländegängiges Fahrzeug dabei hatten, fühlte ich mich sicher, so dass ich die Fahrt zumindest sorgenfrei bewältigen konnte.
Nachdem wir ein weiteres Gatter überwunden hatten änderte sich die Landschaft, indem vor uns zunehmend white-pocket-artige Felsgebilde vor uns auftauchten. Jetzt spürten wir - es kann nicht mehr weit sein und unsere Spannung stieg. So viele Fotos hatten wir schon von der White Pocket gesehen, so viele Reiseberichte gelesen, und bald sollten wir selbst in der glücklichen Lage sein die Schönheit der White Pocket zu bewundern. Doch erstmal galt es noch auf den Weg achten, denn der Sand war zwischenzeitlich noch tiefer geworden und man konnte spüren, wie der Jeep zunehmend zu "schwimmen" begann. Nochmal ein Gatter, nochmal ein steiler Sandhügel, den unser Jeep problemlos bewältigte, und endlich - um 14.45 Uhr - hatten wir unser Ziel erreicht. Wir suchten uns ein schattiges Plätzchen unter einem Baum, erfrischten uns mit einem kühlen Getränk, und starteten in froher Erwartung schließlich zu einem ersten Rundgang.
Der kurze Weg vom Parkplatz hinüber zur White Pocket führte durch sandiges wüstenhaftes Gelände, gänzlich unspektakulär, und wenn man es nicht besser wüsste, wäre es kaum zu erahnen, dass wir jetzt gleich etwas sensationell Schönes zu sehen bekommen sollten. Doch je näher wir kamen umso mehr eröffnete sich uns eine märchenhafte Zauberwelt, die bei jedem Blick eine neue faszinierende Besonderheit präsentierte. Eine Naturschönheit erster Güte, überwältigend, geheimnisvoll, erhaben - eine Schönheit, die uns förmlich sprachlos machte. Wie hier die Naturkräfte strudelförmige Steinsformationen hervorgebracht haben ist gewaltig. Obgleich hier in der Abgeschiedenheit allergrößte Stille herrschte "hörte" man geradezu das Wasser rauschen, so plastisch lagen die Felsgebilde vor uns. Keine Frage, so beschwerlich die Anfahrt auch gewesen sein mochte, diese Anstrengung hatte sich mehr als rentiert.
Mit Glücksgefühlen im Herzen machten wir uns nach einer guten Stunde wieder auf den Rückweg zu unserem Rastplatz um dort noch ein wenig auszuruhen und die bis zum Sunset abzuwarten. Um 18 Uhr machten wir uns dann erneut auf den Weg, die Luft immer noch flimmernd heiß, 32 Grad Celsius, und bis die Sonne dann um 19.45 Uhr unterging erlebten wir in der White Pocket ein faszinierendes Farbenspiel in allen denkbaren Schattierungen von Rot- und Gelbtönen. Welch ein erhabenes Gefühl, mitten in dieser Wildnis zu stehen und der Sonne dabei zuzusehen, wie sie sich so langsam aber sicher vom Tag verabschiedete und dabei dafür sorgte, die um uns liegenden Felsen zum Leuchten zu bringen. Wir waren einfach nur happy.
Um 20 Uhr wieder am Auto angekommen richteten wir uns für den Abend ein und legten alles Wesentliche zurecht, solange wir noch genug Licht hatten um zu sehen. Die Nacht kam sehr schnell und mit ihr die Kühle des Abends, die wir anfangs noch genossen, mit der wir dann mit zunehmender Nacht doch zu kämpfen hatten. Während ich das Essen richtete brachte Ray das Lagerfeuer zum Lodern, was mit dem trockenen Holz, das wir mitgebracht hatten, recht flott ging. Und so saßen wir bei einer deftigen Brotzeit und eiskaltem Bier am Campfire und ließen die Eindrücke des soeben Erlebten nochmals an uns vorüber ziehen.
Es war stockfinster geworden, über uns ein Sternenhimmel, bei dem die Sterne zum Greifen nah schienen. Vor uns der warme Schein und das wohlige Knacken des Feuers, in der Ferne das Heulen der Coyoten - meine Güte war das schön! Natürlich hatten wir dann auch noch ein Fläschlein leckeren Rotweins in unserem Gepäck, das wir uns in dieser stimmungsvollen Nacht schmecken ließen. Wir fühlten uns unabhängig und frei, losgelöst von der Realität und glücklich.
Irgendwann war unser Feuerholz dann verbraucht und wir spürten wie empfindlich kalt es doch geworden war. Als wir uns ins Auto zurückzogen hatte es nur noch 12 Grad. Und hier begann der ungemütliche Teil dieses grandiosen Tages. Obwohl wir sämtliche Klamotten übereinander angezogen und uns in eine Decke eingehüllt hatten froren wir, und dass die Sitze im Jeep alles andere als schlaftauglich waren tat seinen Teil dazu. Von einer geruhsamen Nacht war somit nicht zu reden, doch was machte dies nach einem solch abenteuerlichen Tag..... da kann ja nicht auch noch die Nacht perfekt sein!
Zum Inhaltsverzeichnis oder zum nächsten Tag